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Das Verbandssanktionengesetz ist auf Kurs

Am 16. Juni 2020, zwei Arbeitstage nach Ablauf der Stellungnahmefrist zum RefE, hat die Justizministerin den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Steigerung der Integrität in der Wirtschaft vorgestellt. Das Verbandssanktionengesetz ist auf Kurs. Nachfolgend fasse ich die Rückmeldungen zusammen, gehe auf wesentliche Punkte des Regierungsentwurfs ein und erläutere das weitere Gesetzgebungsverfahren.

Konsultation

Die offizielle Konsultation begann damit, dass das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) am 22. April den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Steigerung der Integrität in der Wirtschaft veröffentlichte. Dessen Kernbestandteil ist das neue Verbandssanktionengesetz – VerSanG.

Die Wissenschaft, allen voran die Mütter und Väter des Kölner Entwurfs, hat das Vorhaben weitgehend begrüßt. Dagegen liefen Compliance-Praktiker und Wirtschaftsverbände Sturm:

Falsche Anreize zur falschen Zeit

Gemeinsame Verlautbarung der Verbände

Der Referentenentwurf verfehle die selbst gesetzten Ziele und weise grundlegende Mängel auf. Er setzte falsche Anreize und wirke seinem Ziel, die Integrität in der Wirtschaft zu fördern, entgegen. Da fragte ich mich schon, ob das Verbandssanktionengesetz noch auf Kurs ist. Wirtschaftsfreundliche Kreise der Union setzten das Gesetzesvorhaben in den Kontext eines Belastungsmoratoriums.

Innerhalb der vom BMJV gesetzten Frist – das war Freitag, der 12. Juni 2020 – ging eine Vielzahl von Stellungnahmen zum Referentenentwurf ein. Man kann sie grob in drei Klassen einteilen:

  • politische Statements,
  • wissenschaftliche Auseinandersetzung und
  • Hinweise aus der Compliance-Praxis.

Den kleinsten gemeinsamen Nenner bildet die Feststellung:

Das deutsche Unternehmenssanktionsrecht bedarf der Modernisierung, insbesondere im Verfahrensrecht sowie durch rechtssichere Regelungen für interne Untersuchungen.

So ähnlich steht es in der oben angesprochenen gemeinsamen Verlautbarung der Compliance-Praktiker und der Wirtschaftsverbände. Ob Anreize für Compliance ebenfalls zum kleinsten gemeinsamen Nenner gehören, bezweifle ich.

Regierungsentwurf des Verbandssanktionengesetzes

In Anbetracht des massiven Gegenwinds aus der Wirtschaft und der Vielzahl der Anmerkungen der Praktiker, war ich doch sehr erstaunt, dass das BMJV bereits am Dienstag, den 16. Juni – also 2 Arbeitstage nach Ablauf der Konsultationsfrist, den Regierungsentwurf veröffentlichte. Für mich war es ausgeschlossen, dass man sich mit den Stellungnahmen ernsthaft beschäftigt hat – selbst wenn man eine große und effiziente Ministerialbürokratie im BMJV unterstellt, die am Wochenende durcharbeitet.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in den Stellungnahmen nichts wirklich neues steht. Die politischen Argumente, die Probleme der Praxis und auch die juristischen Probleme haben sich seit dem inoffiziellen Referentenentwurf aus dem Herbst 2019 nicht geändert. Der Verband der Familienunternehmen hat sogar einen Gegenentwurf ins Spiel gebracht.

Außer dem Titel – damals hieß das Artikelgesetz noch „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ – und dem Wegfall der sogenannten „Todesstrafe für Unternehmen“ hat sich nicht viel geändert.

Im Kern war es also eine politische Entscheidung: Will man ein eigenes, modernisiertes Sanktionsregime für Unternehmen, oder nicht. Und diese Frage ist im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode beantwortet.

Wir bekämpfen konsequent Wirtschaftskriminalität, Einbruchdiebstahl und Organisierte Kriminalität:

Neues Sanktionsrecht für Unternehmen. Höhere Geldsanktionen. Aufstockung des KfW-Programms „Kriminalprävention durch Einbruchsicherung“.

Koalitionsvertrag, Zeilen 599 – 602

Soweit sich das Gesetzgebungsvorhaben innerhalb der Eckpunkte des Koalitionsvertrags (siehe Zeilen 5895 bis 5920) bewegt, können wirtschaftsfreundliche Kreise in der Union es nicht blockieren. Das Verbandssanktionengesetz ist auf Kurs!

Gesetzgebungsverfahren

Damit ist aber nicht gesagt, dass die Arbeit, die in die Stellungnahmen investiert worden ist, umsonst war. Aber wenn die Bundesregierung ihre Ziele für die 19. Legislaturperiode einhalten will, musste sie das Gesetzgebungsverfahren starten, denn Zustimmungsgesetze brauchen ihre Zeit – vor allem dann, wenn sie kontrovers diskutiert werden.

Die diskussionswürdigen Punkte aus den Stellungnahmen werden im parlamentarischen Verfahren geklärt werden. Ich gehe nicht davon aus, dass das Verfahren insgesamt scheitern wird. Es ist nicht vorstellbar, dass Bundestag oder Bundesrat das Gesetz kippen.

Dagegen sprechen zwei Argumente:

  1. Es gibt einen breiten Konsens, dass das Sanktionsrecht für Unternehmen modernisiert werden muss.
  2. Es wäre in der gegenwärtigen Situation politisch fatal, den Koalitionsvertag an dieser Stelle platzen zu lassen.

Wenn das VerSanG kommt, muss das auch für die Wirtschaft nicht negativ sein. Kein Unternehmen wird verpflichtet, eine Compliance-Organisation aufzubauen, wenn es keine oder nur vernachlässigbare Compliance-Risiken hat. Es verzichtet damit nur auf die Möglichkeit, einen Compliance-Bonus zu erhalten, falls eine Verbandssanktion verhängt wird.

Im Fall des Falles, also wenn tatsächlich der Staatsanwalt vor der Tür steht, um eine Verbandstat aufzuklären, kann das Unternehmen durch interne Ermittlungen einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Tat und seiner Verbandsverantwortlichkeit leisten und sich so den Kooperations-Bonus sichern. Diese vertypte Sanktionsmilderung bewirkt eine Halbierung des Sanktionsrahmens und ist damit auf jeden Fall attraktiv.

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